Einsamkeit ist ein schmerzhaftes, subjektives Gefühl, bei dem die eigenen sozialen und emotionalen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen entsprechen. Wenn Einsamkeit über einen längeren Zeitraum anhält, kann sie ein erhebliches Risiko für die psychische und physische Gesundheit darstellen. Sie betrifft Menschen jeden Alters und jeder Herkunft, auch wenn die Gründe, Ausprägungen und Folgen unterschiedlich sein können.
Dieses oft tabuisierte Thema rückte in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Grund genug für den SPD-Ortsverein Wöhrd, die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus und die Jusos, eine generationenübergreifende Debatte zu initiieren. Am 9. Januar 2025 luden wir daher zu einer Auftaktveranstaltung in die Begegnungsstätte Marie 15 ein – und trafen offenbar einen Nerv der Zeit: Die drei Vorsitzenden Gabi Penzkofer-Röhrl, Anil Altun und Thorben Starke konnten über 50 Gäste in dem bis auf den letzten Platz besetzten Raum in der Marienstraße willkommen heißen.

Impulse aus Politik und Praxis
Unsere Jugend- und Sozialreferentin Elisabeth Ries eröffnete die Veranstaltung mit einem aufschlussreichen Impulsreferat. Gutes Leben für Menschen aller Generationen in unserer Stadt ist ein Kernanliegen der Jugend- und Senior*innenpolitik in Nürnberg. Deshalb befassen sich sowohl die Ämter als auch die Stadtratsausschüsse regelmäßig mit der empfundenen Lebensqualität. Sie zitierte aus der Nürnberger Seniorenbefragung 2019, wonach knapp 4 % der Befragten angaben, sich häufig einsam zu fühlen, und weitere 8 %, dass sie sich eher einsam fühlten. Für junge Menschen liegen keine gesonderten Befragungsergebnisse vor, aber eine ausführliche Recherche für den Jugendhilfeausschuss, die ergab, dass zahlreiche junge Menschen in und nach der Pandemie unter mangelnden Kontakten und Einsamkeit leiden. Sie betonte, dass Einsamkeit eine stressvolle Erfahrung ist, die sowohl die Lebensqualität als auch die Gesundheit beeinträchtigen kann. Die Stadt kann individuelle menschliche Beziehungen nicht herstellen, aber gute, niedrigschwellige Gelegenheiten für Begegnung und Austausch schaffen. Hierfür bestehen zahlreiche Angebote für Ältere und Junge: von Mehrgenerationenhäusern über Seniorennetzwerke, Digitalcafés bis hin zu Besuchsdiensten und Mittagstischen für Senior*innen, über Angebote der Kinder- und Jugendarbeit wie Jugendhäuser und –treffs, das Partizipationsangebot laut!, Jugendverbände, Ferienprogramme, Sport, Musik und Kulturelles. Für Studierende und Azubis bieten die Ausbildungseinrichtungen Treffs und Programme. Für alle Altersgruppen stehen auch Beratungsstellen und Hotlines wie die Telefonseelsorge oder die Kinder- und Jugendhotline „Nummer gegen Kummer“ zur Verfügung, wenn das Gefühl der Einsamkeit überhandnimmt. Informationen über all diese Angebote noch besser zu bündeln und bestmöglich an die Interessierten zu bringen, ist stetiges Bemühen der Anbieter, das immer wieder nachgesteuert werden muss.
Schwer auflösbar, so Elisabeth Ries, ist das Dilemma, dass einsame Menschen letztlich selbst einen – zumindest kleinen – Schritt tun müssen: Gesprächsangebote annehmen, Treffs aufsuchen, Kontakte erwidern. Denn der schmerzliche Mangel an Beziehung kann nur überwunden werden, wenn eine Bereitschaft und Fähigkeit zu Beziehung gegeben ist. Als Nachbarin oder Freund kann man helfen, indem man Einsamkeit zu erkennen versucht und zum Überwinden der Schwelle ermutigt, damit einsame Menschen den ersten Schritt wagen und weitere gehen können.
Eine lebhafte Diskussion
Im Anschluss eröffnete die Moderatorin Sabine Knuhr-Weiniger, SPD-Bezirksrätin und Sozialpädagogin, eine Diskussionsrunde und lud die anwesenden Gäste dazu ein, ihre Erfahrungen und Anliegen zu diesem sensiblen Thema einzubringen. Viele Teilnehmende äußerten ihre Erfahrungen und Wünsche. Ein häufig genannter Punkt war die Notwendigkeit, bestehende Angebote gegen Einsamkeit stärker bekannt zu machen, beispielsweise durch verschiedensprachige Flyer in Arztpraxen und Apotheken. Gleichzeitig wurde betont, dass soziale Kontakte ein Geben und Nehmen sind und Eigeninitiative, wie ehrenamtliches Engagement, einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Ein zentraler Diskussionspunkt war die Idee einer Willkommenskultur für Neu-Zugezogene, insbesondere für junge Menschen. Es wurde vorgeschlagen, Treffpunkte und Anlaufstellen zu schaffen, die den Einstieg in soziale Netzwerke erleichtern.
Generationenübergreifende Ansätze
Die Teilnehmer*innen diskutierten intensiv über Möglichkeiten, den Austausch zwischen den Generationen zu fördern. Vorschläge reichten von gemeinsamen Aktivitäten von Kitas und Seniorenheimen bis hin zu Projekten wie „Wege in die digitale Welt für Ältere“. Dabei kam auch die Frage auf, inwieweit die zunehmende Digitalisierung Einsamkeit verstärken oder mindern kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Thema Wohnen. Einige äußerten die Sorge, dass der lange Verbleib in der eigenen Wohnung Einsamkeit begünstigen könnte. Alternativen wie generationenübergreifendes Wohnen wurden als mögliche Lösung aufgezeigt. Thomas Schmidt, Geschäftsführer der WIN gGmbH, stellte im Gespräch mit Thorben Starke, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Wöhrd, konkrete Angebote der Begegnungsstätte Marie15 wie offene Café-Treffs, Konzerte, Slow Dating und andere Veranstaltungen seiner Initiative vor.
Abschluss und Ausblick
Zum Abschluss sprach Anil Altun, Vorsitzender der Jusos Nürnberg, über die Bedeutung des generationsübergreifenden Dialogs als Mittel gegen Einsamkeit. Er betonte, dass junge Menschen heute oft politischer und vernetzter sind, jedoch eher anlass- und themenbezogen aktiv werden. Die klassische Vereinsstruktur biete für viele nicht mehr die gleichen sozialen Auffangbecken wie früher. Stattdessen nehmen soziale Medien eine immer zentralere Rolle ein – mit positiven, aber auch negativen Auswirkungen. Zwar können sie Einsamkeit durch digitale Vernetzung lindern, sie führen jedoch häufig zu psychischem Druck und einem übertriebenen Selbstoptimierungsdrang. Hinzu kommen immer weniger Alltagskontakte mit anderen Menschen, die durch den Effizienz- und Leistungsdruck in der Gesellschaft weiter eingeschränkt werden.
Anil Altun forderte daher den Ausbau wetterunabhängiger, konsumfreier Räume für junge Menschen, die echte Begegnungen ermöglichen. Ein weiteres Anliegen war die Einführung einer „Jugend-App“, die alle zentralen Angebote für junge Menschen in Nürnberg bündelt und leicht zugänglich macht. Mit dem bewilligten Haushaltsantrag der SPD-Stadtratsfraktion für digitale Angebote unter dem Dach „Nürnberg Young City“ kann dieser Impuls durch das Jugendreferat in der nächsten Zeit aufgegriffen und geprüft werden.
Auch Gabi Penzkofer-Röhrl, Vorsitzende der AG 60plus, brachte wertvolle Impulse ein. Sie regte an, über neue Konzepte wie Senioren-Streetwork oder Plauderbänke nachzudenken, um niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen. Sie betonte nochmals, dass es kein Angebot gibt, dass für alle gleich gut ist, da Einsamkeit so vielfältig ist, wie die Menschen, die sie erleben und entsprechend vielfältig und breit gefächert auch die Angebote sein müssen.
Die Veranstaltung bot viele Denkanstöße, die wir in unserer politischen Arbeit weiterverfolgen werden. Das große Interesse zeigt, wie wichtig das Thema ist. Die politische Dimension von Einsamkeit konnten wir an diesem Abend nur anreißen. Wir wollen daher das Thema in weiteren Veranstaltungsformaten in diesem Jahr vertiefen. Unser besonderer Dank gilt Sandra Manthey für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Auftaktveranstaltung.